Wo da draußen sollten wir ausstellen, um von den entscheidenden Menschen wahrgenommen zu werden, die uns aus dem Sumpf ziehen würden? Ein Bekannter empfahl uns, Räume der Volkshochschule im Kulturzentrum am Gasteig zu nutzen, das sei so in etwa das Münchner Centre Pompidou und er habe da Beziehungen. Eine Besichtigung des Gebäudes verstörte uns einigermaßen, wir sahen eine traurige Betonburg mit Ziegeltapete außen und Auslegeware innen, aber nein, der Bau sei neu und deshalb gingen die Leute gerne hin, argumentierte unser Bekannter, der froh sein kann, dass ich seinen Namen längst vergessen habe, sonst würde ich die Gelegenheit nutzen, ihn an dieser Stelle ordentlich zu schmähen: Jens oder Klaus oder Martin, Du bist ein Dummerle!
Wir bestimmten einen Ausstellungstermin und verschickten Einladungen. Um noch ein paar technische Fragen zu klären, setzten wir uns mit dem zuständigen Mann im Gasteig, einem sehr lustigen Österreicher namens Prankl, in Verbindung. Der wußte nichts von einer Ausstellung und stellte außerdem klar, dass er auch nicht bereit sei, zwei anfängerhafte und ganz offensichtlich dreiste Landeier in seinen Hallen auszustellen. Unser Selbstbewusstsein lag zerbrochen am Boden. Am Tag nach der nassforsch angekündigten und aus Enttäuschung von uns nicht mehr abgesagten Vernissage, rief uns Herr Prankl früh morgens an, er klang aufgeregt, einige Journalisten seien am Vorabend bei ihm aufgetaucht und hätten uns, die Gruppe FAUXPAS, sehen wollen. Wir sollten uns so bald wie möglich bei ihm blicken lassen, um alle Details für unsere Ausstellung zu besprechen. Er war inzwischen von unserer Arbeit, die ihm als die konsequente Weiterentwicklung des russischen Konstruktivismus erschien, so begeistert, dass er selbst eine Ansprache zur Eröffnung hielt. Der Aspekt der Multifunktionalität unserer Stücke fand ebenso wiederholt Betonung, wie die erstaunliche Reife unserer Entwürfe, gerade angesichts unseres zarten Alters, so dass die Rede sicher nicht zu kurz war. Als hätte unser Publikum noch nicht genug Geduld bewiesen, betraten im Anschluss wir beide die Szene, Peter mit seinem Altsaxophon, ich mit einem Paar Trommelstöcke. Superpeinlich: Grosshauser mit Ska-Hut, Huber in schwarzer Lederhose. In der Mitte des Raumes war unser Musikstuhl aufgebaut, ein geschwungenes Stahlgestell mit Sitzfläche und drei Gitarrensaiten, das über einen Tonabnehmer an einen Gitarrenverstärker angeschlossen war, auf dem nahm ich Platz und betrommelte die Rohre und die Saiten unter mir, Peter kreiste langsam um mich herum und blies mit feuerrotem Kopf und aller Kraft in sein Horn. Fünfzehn Minuten später, nachdem wir eine Klangkulisse geboten hatten, die man heute als jazzcore bezeichnen würde, kniete ich vor dem Musikstuhl, Peter lag auf dem Rücken, beide nass. Unsere Gäste klatschten brav in ihre Hände. “Bitte nicht berühren”, in roten Buchstaben auf einem großen Schild, hätten wir sofort nach unserem Vortrag am Musikstuhl anbringen müssen, aber dafür waren wir zu locker und falsche Lockerheit rächt sich. Den ganzen Abend wurde von den Besuchern in der allernervigsten Weise auf dem Musikstuhl gespielt, meistens von drei Leuten gleichzeitig, mit Schlüsselbünden, Bierflaschen oder Brotzeitbrettchen, einer zog in chruschtschowscher Manier seine Schuhe aus, um damit auf unser Werk einzuschlagen. (2008)
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Möbelskulptur Stahl, Leder, Gitarrensaiten, Verstärker Einzelstück in Eigenproduktion © Fauxpas (Herwig Huber / Peter Großhauser) 1985 |
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